Der HERBST, die Klassiker der chinesischen Medizin und der Blick auf das physische Training
Von Fabian Heise
DER HERBST, QIU CHIN. PINYIN
Jede Jahreszeit hat ihre eigene Qualität; die gelben Blätter werden vom Baum geweht. Das Geräusch des Laubs auf dem Boden. Die leuchtenden Farben des Herbst sind vielleicht ein wenig wie die Lichter eines Schiffes das den Hafen verlässt und wir blicken hinterher. Ein Gruß aus der Vergangenheit.
Der Klassiker des Gelben Kaisers zur inneren Medizin, das Urwerk der traditionellen chinesischen Medizin, Huángdì Nèijīng Sùwèn hierzu:
"Die drei Herbstmonate werden überfließen und harmonisieren genannt. Das Qi des Himmels wird drängend und das Qi der Erde prächtig."
Das Überfliessen ist die Ernte des Sommers die eingebracht wird.
Das Qi der Erde macht eine Abwärtsbewegung was auch im Tau sichtbar wird.
"Man sammelt den Geist und bewahrt das Qi".
Es ist die Zeit der Innenwendung und Sammlung.
Das Außen soll weniger von Bedeutung sein.
Auch soll man Begierden nicht nachgehen.
"Man geht früh ins Bett und steht früh auf zur Zeit des Hahns."
(Eine alternative Übersetzung sagt "macht den Hahn", Assoziation Kampfhahn, außen ruhig innen wach!)
Das Organ Lunge, fei, ist dem Herbst zugeordnet, so wie der Mensch im Herbst anfällig für äußere Einflüsse ist hängt dies mit der Bedeutung der Lunge zusammen. Diese ist einfach gesagt für die Verteilung des Qi ́s im Körper zuständig.
"Die Lunge ist wie ein Baldachin und umfasst die fünf zang Organe."
Die Lunge ist also wie ein Himmel im Körper.
DAS TRAINING, DER KAMPF UND BEWEGUNGSKÜNSTE
Wir bewegen uns nicht nur in der Natur sondern wir sind ein Teil davon. Man könnte auch sagen die Natur bewegt sich in uns.
Es ist wohl immer richtig sich mit dem Essentiellen zu beschäftigen, aber vielleicht liegt es in der kälteren, ruhigeren Jahreszeit näher zu rekapitulieren und sich an der " Ernte" zu erfreuen und die Saat für das nächste Jahr zu sammeln.
Wie erzählte Herr Stubenbaum den Spruch seines Wangbao- Speer Lehrers: "Im Sommer ist der Schritt groß, im Winter ist er klein."
Es ist wichtig dass wir beharrlich weitergehen und im Einklang mit der Natur (innen/außen) handeln.
Ein weiterer Spruch kommt mir in den Sinn:
"Auch wenn der Körper bricht, yi,die Vorstellung darf nicht brechen."(jin duan, yi bu duan)
Primär ist das Training und der Kampf gemeint, z.B. wenn man geschlagen wurde oder ins Taumeln kommt darf die Präsenz und Absicht nicht verloren werden. Aber wir können es auch so verstehen, dass in Zeiten in denen wir vielleicht krank oder abgeschlagen sind wir unsere Ziele und Visionen nicht vergessen dürfen.
Man kann die Qualitäten der Jahreszeiten wohl möglich auch als Bereicherung für unser physisches/mentales Training sehen und nicht nur als Einschränkung. Vielleicht bringen sie uns neue Erkenntnisse.
Und vielleicht ist diese Veränderung in uns und um uns auch eine der Türen zum tieferen Verständnis des Taijiquans und der Kampfkünste allgemein. Unsere Beschaffenheit zu verstehen und dessen Wandel.
Quellen und weiterführende Literatur:
Der Klassiker des gelben Kaisers zur inneren Medizin
Wolfgang G.A. Schmidt, Herder Freiburg 1993
Die fünf Wandlungsphasen
Klaus Dieter Platsch, Urban und Fischer München 2009
Anthologie der Geheimnisse chinesischer Kampfkunst
Yoshio Nagai, Autor; Dr. Julian Braun , Übersetzer
Verlag Wolfgang Ettig 2020